Der Herzog von Argyll muss seine Tochter sehr geschätzt haben – denn die elegante Dampfyacht, die ihren Namen trägt, war im Jahr 1883 ein wahres Prestige-Objekt auf Lake Windermere, dem damaligen Hotspot des englischen Adels. Heute ist der Bodensee zu einem Hotspot für herrliche Oldtimer-Boote geworden – und das weil drei Männer mit Sitz in Liechtenstein und Hard nicht davon lassen können, vollkommen unmögliche Projekte anzugehen und umzusetzen. So wurde aus dem schon aufgegebenen, verunstalteten und zuletzt traurig heruntergekommenen Dampfboot eine Schönheit, die sich heute weit besser präsentiert als je zuvor.
Der mit Maschinen spricht
Erich Hoop, Hubert Hartmann und Reinhard Kloser teilen die Liebe zu schönen und außergewöhnlichen, klassisch-historischen Fahrzeugen, egal ob zu Luft, zu Wasser oder auf der Straße. Erich Hoop, einer der dreien, fand die alte Dampfyacht im Internet, und bereits am nächsten Morgen standen alle drei Männer an der Themse, direkt vor Schloss Windsor und machten bei beißenden Minusgraden die erste Probefahrt mit der „Duchess of Argyll“. Das Boot brauchte dringend eine umfassende Renovierung. Der Besitzer, ein Professor am Eton College, hatte weder die Mittel noch das Können dafür und war wohl froh, dass der kleine Dampfer sofort auf den Weg nach Vorarlberg gebracht wurde. Drei Tage später traf er per LKW in der Hartmannschen Zimmerei in Hard ein. Dort wurde er Planke für Planke auseinandergenommen und die vielen, schweißtreibenden Puzzlestücke akribisch und detailgenau wieder zusammengesetzt. Allein die Instandsetzung des Schiffrumpfs und der Innenausstattung verschlang ungezählte Arbeitsstunden. Jede Planke und jedes Teil brauchte eine eigene Schablone, nicht eine davon entsprach in den Maßen oder der Form einer zweiten.
Dabei war noch keine Rede vom fehlenden Dampfkessel, der Maschine und all den liebevollen Verzierungen, die nach Originalfotos fast alle nachgebaut werden mussten. „Bei mir ist das so“, sagt Projektleiter Reinhard Kloser, „wenn ich so ein Boot entdecke, dann sehe ich es in seinem fertigen Zustand, so wie es am Ende dastehen wird. Jedes Detail kann ich erkennen. Und wenn ich das sehen kann, dann muss ich es auch angehen.“ Das erklärt vieles, aber nicht, wie der gelernte Schiffsingenieur eine Maschine wieder instand setzen kann, von der alle technischen Daten und Unterlagen verloren gingen. „Das ist genau das Reizvolle an so einem Projekt“, erklärt er amüsiert. „Wenn es einfach wäre, könnten das alle machen. Ich liebe knifflige, technische Aufgaben.“ Wer mit Maschinen sprechen und in sie hineinhören kann, erfährt von ihnen auch, wie sie funktionieren.
Ein erfolgreiches Interregio-Projekt
Kapitän Kloser wusste schon vor der Duchess, was es bedeutet, einen so hoffnungslosen Fall in Einzelteile zu zerlegen, denn ohne ihn würde der berühmte Schaufelraddampfer Hohentwiel noch immer am Lachauer Seeufer rosten. Dass sie heute ein weltbekanntes Schmuckstück auf dem Bodensee ist, verdankt sie den kniffligen Aufgaben ihrer Dampfmaschine, die den Ingenieur und erfahrenen Seemann gereizt haben. Reinhard Kloser war Zeit seines Lebens auf großen, zum Teil auch dampfbetriebenen Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs. Hubert Hartmann hat ebenfalls seine Erfahrungen mit den Einzelteilen der Hohentwiel gemacht und ist keineswegs unwissend in das neue Projekt eingestiegen. Trotzdem schüttelt er amüsiert den Kopf, wenn er darüber redet, wie viel Arbeit alleine in der Diagonalverstrebung des Rumpfes steckt, oder in der 14-fachen Lackierung, oder in der Verkleidung des neu angefertigten Kessels und, und, und… so etwas geht nur mit zahlreichen freiwilligen Helfern, die aus Begeisterung einfach mitmachen. Die fanden sich bereits während der Arbeit an der Hohentwiel im gesamten Bodenseeraum. Viele wertvolle Kenntnisse aus 186 beteiligten Betrieben flossen zusammen und ermöglichten etwas ganz Einzigartiges. Die Hohentwiel ist der fahrende Beweis für die internationale Zusammenarbeit über alle Landesgrenzen hinweg und zwar unkompliziert und voller Engagement. Dass der Raddampfer jetzt alle Bodenseeufer anfährt und verbindet, gehört deshalb zu seinem zweiten Leben. Die Instandsetzung der Duchess zeigt dieselbe verbindende Wirkung weit über Landesgrenzen und Fachexpertentum hinaus – eine Glückserfahrung für alle Beteiligten, deren Herz und Handwerk in einem oder vielen der tausend Teile stecken.
Eine Odyssee um die Welt
Vergessen ist die Zeit, als man in den zwanziger Jahren einen Dieselmotor auf dem Schiff montierte. Allein die Odyssee der Antriebsdampfmaschine beweist, welche Magie ins Spiel kommt, wenn jemand beginnt, die Liebe für ein Objekt zu wecken: die Originalmaschine wurde im Lauf der Geschichte ausgebaut, zunächst in England verkauft und verwendet, danach nach Amerika verschifft und dort in einem Museum ausgestellt, wo sie erstmals von Oldtimer-Begeisterten aufgetrieben und nach Bodman am Bodensee geschafft wurde. Dort fanden die drei neuen Eigentümer der Duchess of Argyll das Originalteil, traten in Verhandlungen und brachten es nach Hard. Schiff und Maschine sind seither, neu renoviert und mit handwerksgefertigten Einzelteilen ergänzt, wieder vereint. Sie schnurrt wie eine Nähmaschine über das Wasser und das in einer beachtlichen Geschwindigkeit – 11 Knoten macht sie ohne Anstrengung (das entspricht etwas mehr als 20 km/h). Die Duchess ist, was Fahrverhalten und Leistung angeht, eines der interessantesten Dampfboote (fünf fahrtüchtige gibt es weltweit derzeit, sie ist die Älteste von ihnen) und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie sich irgendwann auf den Weg nach Lake Windermere machen wird, um dort eines der exklusiven Dampfboot-Rennen zu bestreiten. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass sie genau dort den ersten Preis abholt. Aber vorerst absolviert sie ihre ersten Fahrten auf dem Bodensee, unter den wachsamen Augen von Kapitän Kloser und seiner Crew: Hubert Hartmann, Reinhard Flatz und Erich Hoop, die bei der schmalen Einfahrt in die Helling das zentimetergenaue Manövrieren des Bootes erlernen und die Eigenheiten eines dampfbetriebenen Boots wahrnehmen müssen.
Wer den Luxus liebt…
Apropos Werft: Die Duchess war wohl schon immer ein Luxus-Geschöpf, hat sie doch damals die adelige Gesellschaft erfreut und irgendwann sogar als Filmstar reüssiert (sie spielte eine tragende Rolle während einer Verfolgungsjagd von Sherlock Holmes in einer BBC Produktion). Und sie eroberte vor knapp drei Jahren schon bei ihrem ersten Anblick die Herzen der drei Männer im Sturm. Die haben ihr sogar (und das waren Erich Hoop und Hubert Hartmann) ein eigenes… naja, Apartment finanziert, in ihrem Fall ein Trockendock mit Hebebühne, ganz auf ihre Maße konzipiert, die sie sanft ins Wasser gleiten lässt, so dass der empfindliche Rumpf nicht permanent dem Wasser ausgesetzt wird. Eine Lady eben, eine, die bezaubert und betört und all die Arbeits-Stunden vergessen lässt, sobald sie ihre stille Bahn durchs Wasser zieht.
Reinhard Kloser
Schon bald nach seiner abgeschlossenen Lehre als Maschinenschlosser musterte Kloser als technischer Schiffsoffizier-Anwärter bei der traditionsreichen Hamburger Reederei F. Laeisz an. Nach intensiver Ausbildung auf Handelsschiffen der großen Fahrt und dem Abschluss des Studiums für Schiffsbetriebstechnik in Flensburg fuhr er für kurze Zeit als II. und III. technischer Schiffsoffizier auf modernen Kühlschiffen zur See. Als I. technischer Schiffsoffizier (Leitender Ingenieur) übernahm er wechselweise ein Dampf- und ein Dampfturbinenschiff. Beide stammten aus U.S. amerikanischen Beständen des 2. Weltkriegs und gehörten der bekannten „Liberty“ und „Victory“-Klasse an. Während seiner 12-jährigen Fahrzeit durchfuhr er sechs Mal den Suezkanal und 52 Mal den Panamakanal.