Zum Leben als Clownfrau pflegt Lisa Suitner eine Art Hassliebe – sich dem Scheitern zu stellen und es zu zelebrieren, um damit Menschen zu berühren gilt als die Königsdisziplin der darstellenden Kunst. Und weil sich die Weltenbummlerin eher vor gar nichts fürchtet und sich auch früh mit dem Tod auseinandersetzen musste, tauchen diese wesentlichen Themen um Abschied, Tod und Einsamkeit auch in ihren Stücken immer wieder auf.
Erste Bühnenerfahrungen hat Lisa Suitner schon in der Schulzeit gesammelt, als Eiskunstläuferin und Volleyballerin lernte sie aber auch den Leistungssport kennen, wie auch die Musik- und Theaterwelt. Die Bühne hatte immer eine große Anziehungskraft für sie. So plante sie nach der Matura auf eine Schauspielschule zu gehen, aber es kam anders – statt der vernünftigen Berufswahl, die sich ihre Eltern gewünscht hätten, machte sie sich auf den Weg nach Indien. Reisend erkundete sie die Welt, lebte von Straßenmusik und in Hippiekommunen und lernte unterwegs einen jungen Spanier kennen. Als sie schwanger wurde, zogen die beiden in seine Heimat. Eine Freundin aus Deutschland besuchte die kleine Familie in dem spanischen Dorf und brachte ihr eine Clownnase mit. Das war einer dieser Momente – Lisa Suitner wusste, dass sie eine Ausbildung zum Clown und Gesundheitsclown machen wollte und pendelte für drei Jahre jeweils einmal im Monat zwischen Spanien, Vorarlberg und Konstanz hin und her, um dort das Clowndasein zu studieren.
Nach der Trennung übersiedelte Lisa dann zurück nach Vorarlberg, und auch ihr Ex-Partner folgte ihr nach Feldkirch nach, sodass die Familie nach wie vor eine gut funktionierende Einheit geblieben ist. „Wir sind ein gutes Team und wenn ich ein neues Stück entwickle, bespreche ich es zuerst mit ihm. Inzwischen hat auch mein Sohn angefangen, mitzuspielen.“
Der 12-Jährige hat seine Mutter schon seit frühster Kindheit auf der Bühne erlebt und sie auf Festivals begleitet, oder sie bei der Straßenmusik beobachtet. So hat er ein gutes Auge für Dramaturgie entwickelt und bringt gerne Ideen ein. Ob er selbst später auf der Bühne stehen will, steht in den Sternen, meint seine Mutter: „Mein Sohn sagte kürzlich: Mama, wenn du viel Geld verdienen willst brauchst du einen anderen Beruf.“ Und ergänzt: „Damit hat er natürlich vollkommen recht.“
Trotzdem, seit 2013 ist sie als freischaffende Künstlerin unterwegs. Damals kam ein Regisseur auf sie zu und schlug ihr eine gemeinsame Produktion für ein Solo-Stück vor. So entstand die erste Theaterproduktion von Lisa Suitner mit dem Titel „Ablaufdatum – Geschichten eines Clowns“. Das Stück handelt von Sterbehilfe und war sehr lange erfolgreich zu sehen. „Heute ist ein schöner Tag zum Sterben,“ hieß die nächste Eigenproduktion, der Titel ist selbsterklärend. Auch Grenzerfahrungen, Freundschaften, Einsamkeit und Auswechselbarkeit sind zentrale Themen, denen sie mit Humor die nötige Tiefe verleiht.
Seit einiger Zeit ist sie mit wachsender Regelmäßigkeit auch in Vorarlberg auf der Bühne. Sie entwickelt bereits das vierte Stück in Eigenproduktion, daneben sind viele gemeinsame Projekte entstanden und sie bereichert auch die Musikschule Feldkirch als Musikschulclown – dort lernen die Kinder beispielsweise, wie man Auftrittsangst bewältigt, weil Lisa mit ihrer humorvollen Intervention sie dazu bringt, sich nicht mehr auf die Angst zu fokussieren. Mitten im Aufbau ihres Netzwerks in der Region nahm sie allerdings noch einmal kurz Reißaus, um eine Zirkusschule in Spanien zu besuchen. „Als Eiskunstläuferin war ich super trainiert, habe Saltis gemacht und wilde Sachen. Damals war ich jung. 2016 wollte ich wissen, was mein Körper mit 30 Jahren noch alles kann und habe mich dort auf Partnerakrobatik und Schlappseil spezialisiert. Das ist ein zwölf Zentimeter dickes Schiffstau.“
Dass sich das harte Training nicht mit den Ansprüchen als Selbstständige und Mutter vereinbaren lässt, war schnell klar – trotzdem spielt sie virtuos mit all den Fähigkeiten, die sie sich in ihrem bunten Leben erworben hat, spielt unverschämt viele Instrumente ziemlich gut und liebt ihre Arbeit, die sie an ihre eigenen Grenzen bringt. Hassliebe eben.
Die Bühnen der Region standen in den letzten Monaten vor großen Herausforderungen und die Flexibilität und Kreativität der Veranstalter:innen war gefordert – aber das kulturelle Leben in der Bodenseeregion ist so lebendig wie immer und Menschen wie Lisa Suitner finden auch in Krisenzeiten einen Weg für ihre Arbeit. Das Zusammenspiel von herrlichen Naturerlebnissen, gastronomischen Highlights und einer besonderen Dichte von kulturellen Angeboten wird immer bestehen bleiben, ob mit oder ohne Abstand. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte das neueste Bühnenstück der quirligen Clownfrau am Spielboden Premiere, während des Shutdowns war sie kurzerhand als Straßenmusikerin zu sehen. Lisa Suitner ist beispielhaft für den Erfindungsgeist und die Anpassungsfähigkeit der innovativen Kräfte der Region. Das Leben ist schön, gerade weil es manchmal so daneben geht.