Alte Gemäuer zerfallen weil sie nicht mehr gebraucht werden und sich lange Zeit niemand darum kümmert. Die Burgruine Alt-Ems wurde im Laufe ihrer Zeit sogar regelrecht abgetragen, bei der Sanierung einiger Häuser in der Hohenemser Marktstraße fanden sich Steine, die ursprünglich aus den Burgmauern stammten. Jetzt, während der Sanierung der Ruine, finden sie zum Teil wieder auf den Schlossberg zurück. Aber das ist eine andere Geschichte, die im Frühmittelalter beginnt und die kulturelle Bedeutung der Kleinstadt am Fuße des Schlossbergs deutlich macht.
Sagen und das 21. Jahrhundert
Die Besiedlung von Hohenems begann mit den Walsern in Emsreute, als diese über das Bergdorf Ebnit einwanderten. Darüber wurde die Festung Alt-Ems erbaut – Alta-Embs – also „Hohe Embs“ genannt. Die im Besitz der Welfen und danach der Staufer erbaute Burg (erste Hinweise datieren auf das Jahr 900) war mit sieben Toren, einer Zugbrücke und 47 Räumlichkeiten eine der größten Burganlagen Mitteleuropas. Ihre bewegte Geschichte ist verwoben mit Sagen und Wundern. Die berühmte Weltchronik von Rudolf von Ems hat ihren Ursprung auf der Burg, zwei Handschriften des Nibelungenliedes fanden sich im 18. Jahrhundert im Palast Hohenems und die Festung war trauriger Aufenthaltsort einiger berühmter Gefangener. Der Heilige Konrad soll, damals noch ein Kind, Mitleid mit den durstigen Arbeitern gehabt haben, die an einer Mauer arbeiteten und er brachte in einem Taschentuch Wasser in den Burgfried. Als er es verschüttete, entstand an der Stelle eine Quelle, die später von einem Brunnen gefasst wurde – dem berühmten Konradsbrunnen. Soweit die Sage über ein Welfen-Kind, das später als Bischof von Konstanz heiliggesprochen wurde. Die Realität ist weniger romantisch, wie sich vor Kurzem bei archäologischen Grabungen herausstellte: Beim Konradsbrunnen handelt es sich um eine Zisterne, die einen mit Lehm verkleideten Nebenschacht nutzte, um durch die Kiesaufschüttung an ihrem Boden das so zumindest leicht gefilterte Wasser in die Zisterne fließen zu lassen. Der Geist des 21. Jahrhunderts ist ungnädig mit den Heiligen und ihren Wundern.
Glückliche Historiker
„Die aktuellen Sanierungsarbeiten begannen im Jahr 2005, denen lange Verhandlungen vorangegangen waren. Der damalige Obmann des Verkehrsvereins Hohenems, Richard Mathis, brachte den Stein ins Rollen. Mit dem Ziel, dass die Steine auf der Burg bleiben, wo sie hingehören“, sagt Dieter Heidegger, der Nachfolger von Richard Mathis und Projektbetreiber der Sanierungsarbeiten an der Ruine. „Wir hatten im Sommer 2014 zwei Sensationsfunde“, berichtet er. „Für die Historiker in unserem Experten-Team ein echter Glücksfall. Wir betreiben eine Kooperation mit der Bauakademie Hohenems, die jeder Maurerlehrling Vorarlbergs besucht. Sie erlernen von unserem Burgbaumeister Raimund Rhomberg die Denkmalpflege an historischem Mauerwerk. Im Sommer legten sie eine bis dahin unbekannte Mauer aus dem 12. Jahrhundert frei, die sogar ein gut erhaltenes Stück Innenputz enthält. Die Burg wurde aufgrund dieses Mauerfundes neu vermessen, man wird die Pläne adaptieren müssen, nachdem auch ein neuer Eingang zutage trat. Es könnte zu Baubeginn der Burg ein ganz anderer Grundriss existiert haben, das ist für den Bauhistoriker Raimund Rhomberg sehr spannend. Er und Harald Rhomberg, der Obmann des Burgenausschusses des Vorarlberger Landesmuseums-Vereins (gegründet 1857) haben seither leuchtende Augen, wenn sie auf dem Berg arbeiten. Die Funde häufen sich: „Nicht lange danach legten wir einen eisernen Türzapfen frei. Er ist 450 Jahre alt – und heute an Ort und Stelle befestigt, so dass man ihn an seinem Originalplatz sehen kann.“ Baupläne und dergleichen gibt es natürlich nicht, einzige Grundlage sind alte Gemälde, die erstaunlich präzise wiedergeben, was einst über Hohenems thronte. In den Appenzellerkriegen wurde die Burg stark beschädigt, nach dem Aussterben der Grafen von Hohenems ging die Burg 1765 an Österreich und im Jahr 1792 gab man sie zum Abbruch frei – was die Steine in der Hohenemser Marktgasse erklärt. Heute befindet sich die Ruine in Privatbesitz der Familie Waldburg-Zeil, die den Renaissance-Palast direkt unter der Ruine bewohnt. Das später erbaute, gut erhaltene Schloss Glopper gehört ebenso zum Besitz der Familie, die damit ausreichend historisch wertvolle Gebäude pflegt und saniert – ein Grund für die freundliche Bewilligung der Sanierung der Burgruine und die Zusicherung, diese weiterhin kostenlos der Öffentlichkeit zugänglich zu erhalten. Finanziert wird die Sanierung durch das Bundesdenkmalamt, das Land Vorarlberg, die Stadt Hohenems, einen Förderverein und freiwillige Spenden.
Die Zeit drängt
Der Verfall schreitet wöchentlich voran und einige Mauern hätten den letzten Winter nicht überstanden, wäre nicht das Team am Werk. Zuerst wurden drei Binnenmauern wieder ausgebaut und befestigt. Man geht nach einer Prioritätenliste vor und tut was man kann, aber die Mauern sind schon so dezimiert, dass der Verfall sehr weit fortgeschritten ist. Vor kurzem wurde auch ein archäologischer Schnitt gemacht: Ein Graben von 10 Metern Länge, 50 Zentimeter Breite und Tiefe legt Schichten frei, in denen Historiker wie in einem verschlüsselten Buch lesen können. Unter anderem fanden sich eine Handgranate aus dem 16. Jahrhundert, der Verschluss einer Kette und ähnliche Dinge. „Wir sind aber nicht dort, um Archäologie zu betreiben, sondern die Mauern zu retten“, betont Dieter Heidegger. Dazu entwirft der findige Marketing-Spezialist ein kulturelles Programm, das möglichst viele Besucherinnen und Besucher auf den geschichtsträchtigen Berg ziehen soll. „Je mehr Menschen nach Hohenems kommen, umso besser für die Burgruine. Natürlich fehlt es an Geld, und wir werden es nicht schaffen, alle Mauern, die heute noch stehen, zu erhalten. Die zwei Rondelle (rund gemauerte Räume) sind äußerst selten in Vorarlberg, wir mussten sie gerade sperren wegen Steinschlaggefahr, aber wir sind guter Dinge.“ So gab es (und wird es weiterhin geben) Ausstellungen, Konzerte und Lesungen in den romantischen Mauerresten, Führungen werden angeboten auf Basis von freiwilligen Spenden für die Sanierungskassa und immer wieder lagern Schulklassen mit dem Sagenbuch nach einer solchen Führung rund um den Konradsbrunnen und rätseln darüber, wo man wohl das verschollene, goldene Kegelspiel finden könnte. Eine weitere der zahlreichen Sagen rund um die Burgruine Alt-Ems, die hoffentlich nie ihr Geheimnis preisgeben wird.
Ein Serpentinenweg führt in 40 Minuten auf den Schlossberg, 60 Minuten für Ungeübte. Oder mit dem Bus nach Buchenau, von dort sind es auch 20 Minuten Gehzeit, der Weg ist aber weniger steil.